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Was Herr Schulz vergisst

In aktuellen Umfragen steht nur knapp ein Viertel des Landes hinter Martin Schulz. Auf dem Marktplatz in Bremen ist die Quote am Montagabend deutlich höher. Schulz eröffnet mit dem 18-Uhr-Glockenschlag des Bremer Doms in der SPD-Hochburg den Wahlkampf gegen seine Widersacherin Angela Merkel.

Die Bundeskanzlerin war eine Woche zuvor in die Hansestadt gekommen und gnadenlos ausgepfiffen worden. Martin Schulz hingegen nimmt ein Bad in der Menge. Vom Rathaus schreitet er, begleitet von Musik der britischen Pop-Band Coldplay, durch die Menschenmasse zur Bühne.

Auf dem Marktplatz in Bremen haben sich nur einige wenige Gegner von Martin Schulz versammelt. Unter ihnen ist auch Philipp van Gels, Vorsitzender der Jungen Union (JU) in Bremen. Er ist zum Marktplatz gekommen, um es mit Schulz aufzunehmen. Aus der Ferne nimmt er die Aussagen des SPD-Kanzlerkandidaten unter die Lupe und versucht, seine Angriffe auf die Bundeskanzlerin zu entschärfen.

Die SPD tue Bremen und Deutschland gut, ruft Schulz den Menschen auf dem Marktplatz zu. Während der Jubel der Parteianhänger aufbrandet und SPD-Fahnen geschwenkt werden, steht van Gels missmutig dabei. „Na das kann ja schon mal nicht stimmen“, widerspricht der Jungpolitiker und spielt damit auch auf die Verschuldung an: Bremen ist eines der Bundesländer mit der höchsten Schuldenlast.

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Bremen gehört außerdem zu den Bundesländern im Westen, in denen vom deutschen Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre nur wenig angekommen ist. Mehr als zehn Prozent der Bremer haben keine Arbeit. In keinem anderen Land ist die Arbeitslosigkeit so hoch wie hier. Selbst im strukturschwachen Mecklenburg-Vorpommern ist die Arbeitslosenquote geringer.

Viele Bremer haben ihrem Ärger darüber während Angela Merkels Auftritt in der vergangenen Woche Luft gemacht. „Der Protest war schon ziemlich laut. Man konnte sich kaum miteinander unterhalten“, gibt van Gels zu. Allerdings regiere die SPD in Bremen.

Kein Wunder also, dass sich Martin Schulz zum Thema Arbeitslosigkeit kaum äußert. Stattdessen nimmt er sich die Unternehmen zur Brust, die die Dienste von Leiharbeitern in Anspruch nehmen. „Es ist eine Schande, dass Leiharbeiter weniger Geld bekommen als tariflich Angestellte“, sagt Schulz mit erhobenem Finger. Er prangert die zunehmende soziale Ungerechtigkeit an. „Wer denkt, gute Arbeit bekommt gute Bezahlung, muss SPD wählen.“

Philipp van Gels lässt das nicht so stehen. „Herr Schulz vergisst, dass die Löhne im Vorjahr im Schnitt um 1,8 Prozent gestiegen sind.“ Allerdings stimme es, dass die SPD in Fragen der sozialen Gerechtigkeit bei den Wählern durchaus mehr punkten kann als die CDU. „Dafür liegt die CDU in allen anderen Themen vor der SPD“, glaubt van Gels.

Schulz präsentiert sich trotz des großen Rückstands auf Angela Merkel in den Umfragen kämpferisch. Umfragen seien keine Ergebnisse, ruft Schulz der Menge zu und: „Nichts ist alternativlos.“ Auch die jetzige Regierung nicht. „Ja klar, nur wäre die Alternative Rot-Rot-Grün. Unter Schulz ist so eine Koalition durchaus realistisch geworden“, befürchtet JU-Mann van Gels.

Trotz des großen Abstands zur Konkurrentin Merkel macht Schulz an diesem Montagabend nicht den Eindruck eines Verlierers und hinterlässt im Gegensatz zur Kanzlerin einen lebhafteren und charismatischeren Eindruck. Der Jungpolitiker sieht darin allerdings kein Problem. Einerseits habe Angela Merkel im Wahlkampfmodus gezeigt, dass sie sich vor Martin Schulz‘ Charisma nicht verstecken müsse. „Auf der anderen Seite glaube ich, dass die Wähler in Deutschland vor allem die staatsmännisch auftretende Merkel schätzen und nicht den keifenden Schulz.“

Wie in Wahlkämpfen üblich, zeigen sich die Parteien hinsichtlich ihrer Steuergeschenke spendabel. „Einem Land mit diesen Steuereinnahmen müsste es besser gehen“, moniert Schulz und kündigt eine Steuerentlastung für Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen an. Der JU-Vorsitzende van Gels hält Schulz‘ Pläne jedoch für unrealistisch. „Martin Schulz Ausgabenplan ist voller Wahlversprechen.“


Wie sehen die Entlastungspläne der CDU aus?

Van Gels verweist auf Ökonom Reinhold Schnabel, der für die „Wirtschaftswoche“ berechnet hat, dass allein das SPD-Rentenkonzept doppelt so teuer ausfallen könnte. Wie die steuerlichen Entlastungspläne der CDU aussehen, kann van Gels nicht genau beantworten. Er wisse aber auf jeden Fall, dass seine Partei arbeitsschaffende Mittelständler entlasten wolle.

Beim Thema Bildung wollen sowohl die SPD als auch die CDU mehr Geld ausgeben. Martin Schulz will Schulen moderner ausstatten und neue Gebäude bauen. Van Gels fragt sich nur, woher das Personal kommen soll. „Schulz will neue Schulen bauen. Wir haben ja noch nicht einmal genügend Lehrer.“

In Fragen der inneren Sicherheit überschneiden sich die Pläne der beiden Regierungsparteien. Der SPD-Vorsitzende beklagt den Personalabbau bei der Polizei und fordert 15.000 neue Polizisten. Im Wahlprogramm der CDU steht dieselbe Zahl. Van Gels ist allerdings skeptisch, wie ernst es Schulz mit der Personalaufstockung bei der Polizei meint. „Wenn er den Personalabbau bei der Polizei kritisiert, dann sollte er mal nach NRW schauen. Dort hat die rot-grüne Vorgängerregierung unter Hannelore Kraft die Polizei kaputtgespart mit den entsprechenden Konsequenzen für die innere Sicherheit.“

Beim Thema Diesel-Skandal wird Philipp van Gels jedoch einsilbig. Während Martin Schulz eine härtere Gangart seitens Regierung gegenüber den Konzernchefs von Audi, VW, BMW und Mercedes fordert, meidet van Gels ähnlich wie Angela Merkel eine so eindeutige Verurteilung. „Wenn Verträge nicht erfüllt wurden oder den Automanagern kriminelles Handeln nachgewiesen werden kann, sollte die Politik härter durchgreifen“, meint er lapidar.

Hinsichtlich der Europäischen Union kommt van Gels nicht über Behauptungen hinaus. Martin Schulz pocht auf mehr europäische Solidarität und warnt vor den stärker werdenden antieuropäischen Tendenzen in Polen, Ungarn und vielen südeuropäischen EU-Staaten, die während Angela Merkels Zeit als Bundeskanzlerin zutage kamen. Vom Jungpolitiker kommt dazu nur so viel: „Auch wenn Martin Schulz mehr Europa-Erfahrung hat, Angela Merkel wird in der EU mehr respektiert.“

Außerhalb der EU jedoch hält sich dieser Respekt zum Teil in Grenzen. Erdogan in der Türkei und Trump in den USA poltern des Öfteren gegen Deutschland und die Kanzlerin. Martin Schulz ist der Meinung, dass Deutschland gegen diese Populisten mehr Kante zeigen müsse. Hier gibt van Gels dem Kanzlerkandidaten der SPD zum Teil recht. Gegenüber Trump und Erdogan könne Merkel mehr Ecken und Kanten zeigen: „Allerdings darf man nicht die Effektivität ihrer Gelassenheit vernachlässigen. Sie muss sich nicht zu jedem Tweet äußern, den Trump absondert.“

KONTEXT

Das steht in Schulz' Zukunftsplan

Zehn Punkte auf 36 Seiten

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hat seinen Zukunftsplan für ein modernes Deutschland vorgestellt. Die Zehn-Punkte-Broschüre fast im Wesentlichen farbig und mit Bildern versehen auf 36 Seiten das drei Wochen zuvor von einem Parteitag verabschiedete Wahlprogramm zusammen. Einige Punkte etwa in der Europapolitik und eine Investitionspflicht des Staates sind aber neu. Eine Übersicht.

Zehn Ziele für das moderne Deutschland

In drei Kapiteln zu Zukunft, Gerechtigkeit und Europa werden unter zehn Punkten zahlreiche Vorhaben genannt. Sie reichen von "Vorfahrt für Zukunftsinvestitionen" über "Eine Bildungsoffensive starten" bis hin "Zu mehr Frieden in der Welt beitragen".

Investitionspflicht

"Wir werden eine Investitionsverpflichtung des Staates einführen, die fest in der mittelfristigen Finanzplanung verankert wird." Sie werde die Schuldenbremse ergänzen und sich "an den Spielräumen des Haushalts orientieren". Es soll eine Innovationsallianz für die Industrie geben. Die SPD verspricht Hilfe beim Aufbau einer Batteriezellenproduktion für Elektrofahrzeuge in Deutschland.

Deutschlandportal

"Ich will, dass der Staat online geht. Und zwar 24 Stunden am Tag", sagte Schulz. Sein Zukunftsplan sieht vor, dass Bürger binnen fünf Jahren alle Verwaltungsfragen mit Bund, Ländern und Kommunen auch online erledigen können.

Chancenkonto

"Wir werden dafür sorgen, dass es eine Qualifizierungsgarantie und ein Chancenkonto für Erwerbstätige gibt", heißt es im Zukunftsplan. Das Chancenkonto werde mit einem "staatlichen Startguthaben" ausgestattet. Es könne für Weiterbildung und Qualifizierung, aber auch für Gründungen und den Übergang in die Selbstständigkeit genutzt werden.

Europa

"Eine Priorität unserer europapolitischen Anstrengungen wird der Kampf gegen den unlauteren Wettbewerb durch Steuerdumping sein." Eine solidarische Flüchtlingspolitik bedeute auch, Flüchtlinge "fair auf unserem Kontinent zu verteilen". Die Finanzplanung soll als Solidaritätspakt formuliert werden. Deutschland müsse bereit sein, "mehr in Europa zu leisten, und unter Umständen auch mehr zum EU-Haushalt beitragen". Gleichzeitig müssten Länder, "die Solidarität in wichtigen Fragen verweigern, finanzielle Nachteile in Kauf nehmen".

Quelle: Reuters