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Fliegender Freund der Kunden

Ausgerechnet das Probegerät bei der Bundeswehr machte mächtig Ärger. Dabei hatte Siegfried Meister die Armee auf einer Gastro-Messe in Hamburg davon überzeugt, seiner Erfindung eine Chance zu geben, den Multidämpfer in der Großküche für die Soldaten einzusetzen. Doch jetzt streikte der Heizkörper in der Bundeswehr-Versuchsküche in Glücksstadt. Ohne Heizkörper bleibt die Küche kalt, ohne Hitze nützt der beste Dampfgarer nichts. Kein Wunder, dass die Bundeswehr-Köche schon früh morgens enttäuscht in der Zentrale von Meisters Firma Rational anriefen.

Der Unternehmer zögerte nicht lange: Wozu hatte er einen Flugschein? Kurzentschlossen räumte er einen Heizkörper in sein Sportflugzeug, ließ einen Monteur zusteigen und flog in Bayern los. Um elf Uhr vormittags landete er, der Inhaber persönlich, bei der Bundeswehr in Glücksstadt. Ein treuer Großkunde war gewonnen.

Es sind ja oft die schwierigen Situationen, in denen ein Unternehmer beweist, was ihn ausmacht. Für den im Juli 2017 verstorbenen Meister war dieser Tag Ende der 1970er-Jahre ein solcher Punkt. Wie er das Unglück wendete, zeigt seine Klasse. Die Begebenheit ist eine in der Reihe vieler, über die der Bayer aus einem kleinen Handwerksbetrieb den MDax-Konzern Rational AG schuf, den Marktführer für Kombidämpfer für die Gastronomie. „Er hat die Welt der Speisenzubereitung verändert und damit die Welt, in der wir leben“, lobt Stefan Heidbreder, Geschäftsführer der Stiftung Familienunternehmen, in seiner Laudatio.

Das anpackende Wesen, die klare Vision – das zeichnet einen Gründer aus. Vielleicht ist es die Zeit, die ungewöhnlich ist an der Biografie von Siegfried Meister. Der Bayer gründet sein Unternehmen 1973 – im Jahr der ersten Ölkrise. Solch ein Erfolg gelingt in Deutschland eher zu Beginn der Industrialisierung, im Wirtschaftswunder nach dem zweiten Weltkrieg – oder gelegentlich in einem digitalen Start-up. Aber Anfang der 1970er-Jahre? Meisters Lebenswerk, die Rational AG, bildet da zusammen mit dem Softwarekonzern SAP eine der wenigen Ausnahmen. Beide Unternehmen, so rechnet Heidbreder vor, sind heute ähnlich profitabel.

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Den Ausschlag zur Gründung gibt, so erinnern sich Weggefährten, die Unzufriedenheit über die Handlungsmöglichkeiten im alten Job. Für die damals florierende Schnellimbiss-Kette Wienerwald entwickelt Meister Öfen, in denen die Hähnchen fast doppelt so schnell knusprig wurden wie in herkömmlichen Geräten. Doch Meister fehlt die Herausforderung. Eigentlich hatte er ja Pilot werden wollen, doch die Mutter war dagegen. Schließlich war der Vater im Krieg gefallen. Der Sohn sollte einen ungefährlichen Beruf ergreifen.


„Man hat es gut bei ihm gehabt“

Sein Risiko wird die Selbstständigkeit. Meister beginnt mit einem Betrieb für alle Arten von Metallbau mit seinem Kollegen Walter Kurtz. Für 30. 000 Mark beteiligt Meister den Partner, dessen Anteil heute fast eine halbe Milliarde Euro wert ist. „Es hat von Anfang an Freude gemacht, mit ihm zu arbeiten“, erinnert sich der heutige Aufsichtsratschef Kurtz. Wenige Jahre nach der Gründung entwickelt Meister den Heißluftofen weiter. Ein Braten, so die Idee, wird in der Röhre ständig begossen. Was, wenn der Ofen das automatisch macht? Der Dampfgarer entsteht, ein Gerät, das in Großküchen die Arbeit erleichtert. Meister setzt alles auf eine Karte: Er lässt nur noch Dampfgarer produzieren. Zu Recht: Noch ein Jahr nach der Umstellung verstauben Heißluftgeräte im Lager, während die Produktion der neuartigen Dampfgarer kaum nachkommt. „Er verfolgte eine klare Philosophie: Wir bauen nur das, was die Kunden ehrlich brauchen“, berichtet Kurtz. „Wenn der Kundennutzen stimmt, pflegte er zu sagen, brauchen wir uns um den Gewinn nicht zu sorgen.“

Den Kunden im Mittelpunkt – das ist die eine Seite seiner Philosophie. Die andere: Aus seiner eigenen Erfahrung als Angestellter lernt er, den Mitarbeitern Freiräume zu geben. Dafür prägt er das Schlagwort „Unternehmer im Unternehmen“. „Herr Meister hat Wert darauf gelegt, dass die Mitarbeiter gern zur Arbeit kommen.

Wichtig waren ihm etwa gutes Essen in der Kantine, die besten Werkzeuge für die Mitarbeiter, Sozialleistungen, aber auch Freizeitangebote und gute Bezahlung“, erinnert sich der heutige Vorstandschef Peter Stadelmann. Stadelmann selbst war Chef des Malik Management Zentrums in Sankt Gallen, bevor er zu Rational wechselt. „Für mich war Herr Meister ein Grund für meinen Wechsel in ein produzierendes Unternehmen, weil ich als Berater jahrelang versucht habe, Unternehmen in genau die Richtung zu bewegen, in die Herr Meister Rational längst gesteuert hatte.“

Trotz der engen Zusammenarbeit bleibt es bis zum Schluss beim Sie. „Da war Herr Meister ganz alte Schule, auch bei der Kleidung: immer korrekt mit Krawatte“, sagt Stadelmann. Und doch beschreiben ihn die Mitstreiter als nahbar: Ansprechbar bis in die letzten Monate, als er als Aufsichtsrat regelmäßig die Kantine besucht.

„Man hat es gut bei ihm gehabt, wurde aber auch gefordert“, erinnert sich Rudolf Drischberger, ein Mitarbeiter der ersten Stunde. „An seinem 40. Geburtstag, einem Freitag, haben wir nach prozessorientierter Philosophie die Produktion umgebaut. Am Abend hat er alle beteiligten Mitarbeiter zur Brotzeit eingeladen – mit einem Riesen-Schinken, Bier und Brot.“ Es sind auch solche Anlässe, die die Mitarbeiter motivieren mitzuziehen – auch in Krisenzeiten, als es mal einige Jahre weniger gut läuft. Natürlich gibt es auch andere Seiten: „Erleben konnte man ihn jedoch auch als typischen Unternehmer, der Widerspruch nicht unbedingt geduldet hat“, sagt Technikvorstand Peter Wiedemann. Doch diese Schwäche habe er immer wieder überwunden: „Er war in der Lage, den Leuten seine Vision zu vermitteln.“

Nach außen war der Auto- und Flugzeug-Fan und Genießer klassischer Musik stets zurückhaltend. Das Unternehmen sollte im Mittelpunkt stehen, nicht der Unternehmer. „Ich bin mir nicht sicher, ob er die Auszeichnung des Handelsblatts zu Lebzeiten angenommen hätte“, sagt Vorstandschef Stadelmann. Gefreut hätte sie ihn aber wohl doch.