Kommentar

Vorsicht, wenn chinesische Firmen an die Wall Street gehen

In den USA wollen derzeit viele Firmen an die Börse gehen, vor allem auch solche aus China. Die Erfahrungen der Vergangenheit gemahnen Anleger zur Vorsicht.

Christof Leisinger
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Luckin Coffee versucht Marktanteile auf Kosten des Gewinns zu erzielen. Ob diese Rechnung langfristig aufgeht? (Bild: Jason Lee / Reuters)

Luckin Coffee versucht Marktanteile auf Kosten des Gewinns zu erzielen. Ob diese Rechnung langfristig aufgeht? (Bild: Jason Lee / Reuters)

An der Wall Street sorgen derzeit nicht nur die Börsengänge zum Teil ziemlich unprofitabler Einhörner wie Lyft, Tradeweb oder auch Pinterest für Furore, sondern auch eine beachtliche Anzahl chinesischer Firmen, die dort Kapital aufnehmen wollen. Diese Kombination ist bemerkenswert.

Schliesslich zeigt sie vor allem eines – nämlich das brennende Interesse daran, das ziemlich ideale Umfeld für die supergünstige Refinanzierung unternehmerischer Aktivitäten oder dessen, was als solches wenigstens dem Schein nach verkauft werden kann, zu nutzen, bevor es zu spät ist. In der Vergangenheit war der gehäufte «Run» auf die Erstkotierung an der Börse oft ein erster Hinweis auf die Überhitzung des geldpolitisch induzierten Kursbooms und auf nahende Turbulenzen.

Achtung auf die Qualität

In diesem Sinne raten erfahrene Investoren dazu, die operative und finanzielle Qualität der Börsenaspiranten genau unter die Lupe zu nehmen – vor allem jene aus China. Viele von diesen sind in der Vergangenheit aufgefallen, nachdem sie zum lohnenden Ziel sogenannter Short Seller geworden waren.

Diese haben bei Firmen wie Uxin, Fook Woo, Zhongpin, Longtop Financial oder auch bei Focus Media buchungs- und bewertungstechnische Unregelmässigkeiten ausgemacht, sich die Aktien ausgeliehen, verkauft und von fallenden Notierungen profitiert, sobald die Unzulänglichkeiten offensichtlich wurden.

Der Blick auf die Aspiranten und die jüngsten Börsengänge dieser Art lässt oft Ähnliches befürchten. Denn nur eine Minderheit der entsprechenden Firmen stellt etwas Tangibles her, und selbst wenn, sind diese sind mit einer gewissen Skepsis zu betrachten. NIO und Niu etwa entwickeln und produzieren Elektroautos bzw. elektrische Roller, verdienen damit aber keinerlei Geld, sondern verbrennen solches.

Geht die Rechnung auf?

Die Mehrheit bietet wenig fass- und bewertbare Dienstleistungen im Finanzbereich, im Marketing, im Geschäft mit Blockchains oder auch in der Weiterbildung an. Selbst Luckin Coffee, der selbsternannte Starbucks-Konkurrent, versucht Marktanteile auf Kosten des Gewinns zu erzielen. Ob diese Rechnung langfristig aufgeht?

Mehr von Christof Leisinger (cri)

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