Zschabers Börsenblick
Quelle: imago images

Warum Airbus für Anleger mehr Potenzial als Boeing bietet

Der Wettbewerb zwischen Airbus und Boeing ist fast schon ein epischer – und steht sinnbildlich für das Duell Europas gegen die USA. Wer sich für Aktien der beiden Flugzeugbauer interessiert, sollte sich den Zweikampf einmal genauer anschauen.

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Wer früher glaubte, dass alles, was mit der Luftfahrt zu tun hat, die Krone menschlichen Schaffens sei, der hat in den vergangenen Jahren, aber vor allem auch in den vergangenen Wochen sein Weltbild drastisch ändern müssen.

Da ist zum einen die Posse um den BER. Dass eine westeuropäische Metropole es nicht schafft, in einem Zeitraum von mehreren Jahren einen – wenn auch ambitionierten – Flughafen zu bauen, dafür immer wieder neue, spätere Fertigstellungstermine bekannt gibt und diese dann in schöner Regelmäßigkeit reißt, ist seit Jahren die Steilvorlage für Tausende von Treppenwitzen. Da ist zum anderen aber auch das Trauerspiel um die Regierungsflieger der Bundesrepublik, die gefühlt bei jedem zweiten Flug umkehren müssen – mit der Konsequenz, dass hochrangige Vertreter der deutschen Regierungsspitze dann mit dem Linienflieger durch die Welt fliegen müssen. So verschafft man Satiresendungen natürlich auch ihre Inhalte. Aber immerhin lässt sich das alles mit etwas Wohlwollen noch auf organisatorische Schwächen oder mangelnde politische Kompetenz zurückführen – und bei Nichtbetroffenen mit einem Lächeln in den Mundwinkeln zur Kenntnis zu nehmen.

Weniger komisch ist die jüngste Entwicklung allerdings bei den beiden größten Flugzeugbauern der Welt, die zurzeit auch für negative Presse sorgen: Airbus, das europäische Prestigeprojekt, hat Probleme mit seinem großen Hoffnungsträger A380 – der Riesenflieger, seines Zeichens das größte Passagierflugzeug der Welt und zu seinem Start vor fast anderthalb Jahrzehnten Lieferant vieler Superlative, stieß zuletzt nicht auf die erwünschte Nachfrage bei den Airlines. Die setzen statt auf den in Anschaffung und Unterhalt zu kostspieligen A380 mittlerweile lieber auf kleinere Langstreckenjets. Hinzu kommt, dass der Riesenflieger mit seinen enormen Ausmaßen für viele Flughäfen schlichtweg zu groß ist – das macht ihn  für viele Fluggesellschaften, die flexibel sein möchten und auch gerne mit kleinen und mittleren Airports zusammenarbeiten, unattraktiv. Die Folge: ein Produktionsstopp, der voraussichtlich mehrere tausende Airbus-Mitarbeiter ihren Job kosten wird.

Noch größer sind aktuell die Turbulenzen beim US-Konkurrenten Boeing, dem weltweiten Branchenprimus. Dessen Verkaufsschlager 737 Max 8 hatte zuletzt immer wieder für Ausfälle gesorgt, und zwei Maschinen waren sogar abgestürzt. Den internationalen Luftfahrtbehörden blieb somit nichts Anderes, als die Maschinen via Startverbot vom Himmel fernzuhalten. Abgesehen von der menschlichen Tragödie ist die Entwicklung auch für das Image von Boeing ein Desaster. Zuletzt hatten gar Aktionäre gegen den Konzern aus Chicago geklagt, weil sie dessen Verantwortlichen vorwarfen, ihnen bekannte Sicherheitsmängel vertuscht zu haben. Und auch der Aktienkurs geriet in Mitleidenschaft: Um 15 Prozent ging es seit Anfang März mit der Notierung hinunter.

Bei Airbus sieht es an der Börse bemerkenswerterweise wesentlich besser aus: Der Kurs legte seit Jahresanfang zeitweise um rund 50 Prozent zu. Die Rückschläge beim A380 werden von den Marktteilnehmern offenbar nicht so kritisch gesehen, zudem traut man Airbus wohl eher zu, von der Entwicklung der Branche zu profitieren: Laut einer Studie des Luftverkehrsverbands IATA wird der globale Luftverkehr in den kommenden Jahren zunehmen, alleine 2019 erwartet der Verband beim globalen Passagieraufkommen ein Plus von sechs Prozent auf 4,59 Milliarden.

Airbus gegen Boeing - Europa versus USA

In kaum einer anderen Branche spiegelt sich der Konflikt zwischen den USA und Europa derart in zwei Unternehmen wider. So ist Airbus gegen Boeing auch immer der Kampf der alten gegen die neue Welt. Von der schieren Größe hat Boeing dabei klar die Nase vorne: Selbst nach den jüngsten Verlusten an der Börse wird das Unternehmen dort immer noch mit mehr als 210 Milliarden Dollar bewertet; Airbus bringt hingegen gerade einmal auf 90 Milliarden Euro auf die Börsenwaage. Entscheidender ist aber, dass das Kurs-Gewinn-Verhältnis von Airbus zurzeit noch niedriger ist als das von als Boeing (KGV von 20 vs. KGV von 23), zudem liegt das Momentum klar auf Seiten der Europäer. Für Letzteres sorgt vor allem der jüngste Megaauftrag aus China, in dessen Rahmen der staatliche Dienstleister China Aviation Supplies Holding (CAS) 300 Airbus-Maschinen erwerben will.

Überhaupt bietet das Reich der Mitte enorme Kursfantasie: Das Land hat wie auch Indien im Zuge eines enormen Verkehrsaufkommens, eines Ausbaus der Bereiche Transport und Logistik sowie neuer Streckennetze einen riesigen Bedarf an Flugzeugen, muss zudem alte Maschinen durch neue ersetzen, ist aber anders als in anderen Industrien noch – und wohl auch die nächsten zehn Jahre – nicht in der Lage dieser Nachfrage mit einer eigenen  Produktion nachzukommen. Da China als Airbus-Fan gilt, kann man sich ausmalen, wer im kommenden Jahrzehnt von dieser Entwicklung profitieren wird.

Zwar hat sich natürlich auch Airbus Unwägbarkeiten und Herausforderungen zu stellen: Im kommenden Jahr soll etwa der frühere Telekom-Chef René Obermann Vorsitzender des Verwaltungsrats werden – auch er wird sich erst beweisen müssen. Doch wie sehr sich Boeing selbst von Airbus bedroht fühlt – beziehungsweise wie groß die ohnehin zu Wirtschaftsparanoia neigende Trump-Regierung die Bedrohung einschätzt –, wird nicht zuletzt am Umstand deutlich, dass höhere Zölle auf Airbus-Maschinen jenseits des Großen Teichs zuletzt wieder ein Thema geworden sind. Das könnte auch ein Aspekt sein, der in den kommenden Monaten eine Rolle spielen könnte – Anleger sollten das zumindest auf dem Schirm haben.

Kurzum: Auch wenn Airbus nicht automatisch Profiteur der Boeing-Krise sein muss – momentan ist der europäische Konzern seinem US-Konkurrenten um mindestens eine Nasenlänge voraus.

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