E-Tron Audis Elektro-Hochsitz auf Tesla-Jagd

Audis E-Tron verkauft sich gut: Von Januar bis heute hat Audi weltweit rund 22.000 E-Trons ausgeliefert. Quelle: REUTERS

Der Marktstart für Audis ersten Elektro-SUV war holprig. Mittlerweile verkauft sich der E-Tron besser als jedes andere E-Modell in der Oberklasse. Retten Rabatte die deutsche E-Auto-Industrie vor dem Erzrivalen Tesla?

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Der Platzhirsch holt auf. Mit dem SUV-Modell E-Tron wagte Audi im April 2019 den Schritt in die elektrifizierte Oberklasse. Mit einigen Anlaufschwierigkeiten. Mittlerweile aber findet das Hochsitz-Modell zunehmend Käufer. Von Januar bis heute hat Audi weltweit rund 22.000 E-Trons ausgeliefert. Das entspricht einer Steigerung von knapp 90 Prozent gegenüber dem Vorjahr – trotz Corona. In Deutschland waren es allein im Juni fast 1700 E-Trons, 3890 seit Beginn des Jahres. Zum Vergleich: Jaguar hat von seinem etwa gleich teuren Luxuselektroauto iPace im Juli nur noch 73 Stück unter die Leute gebracht.

Am Freitagmittag veröffentlichte das Kraftfahrtbundesamt in Flensburg die neuesten Zulassungszahlen für Januar bis einschließlich Juli in Deutschland. Und die bergen durchaus Überraschungen: Renault etwa stiehlt mit dem elektrischen Kompaktwagen ZOE den Wettbewerbern Tesla und Audi klar die Show: 2851 Zoes fanden allein im Juli neue Käufer, seit Jahresbeginn sind es knapp 10.000. Damit hat Renault fast so viele Autos verkauft wie VW vom eGolf (9953 Stück seit Anfang des Jahres). Beide Modelle wurden zuletzt mit deutlich besseren Leasingkonditionen, der Golf sogar mit Rabatten von bis zu 45 Prozent auf den Bruttolistenpreis angeboten. Beide profitierten auch von einem Update, der den Modellen einen jeweils deutlich größeren Akku und mehr Reichweite verschaffte. Die Produktion des eGolf in Dresden läuft im Dezember 2020 aus; ihn will VW durch sein erstes von grundauf als Elektroauto konzipiertes neues Modell ID3 ersetzen. Es folgt Teslas Model 3 mit 4521 Verkäufen seit Anfang des Jahres.

Allerdings schwanken die Zulassungszahlen des Tesla auf Monatsbasis sehr stark, da nicht jeden Monat ein Schiff aus San Francisco in Rotterdam eintrifft. So verkaufte Tesla im Juli nur 154 Model 3. Auch Hyundais Modell Kona e ist ein Erfolg: 3800 Modelle seit Neujahr.

Und der vergleichsweise Newcomer Audi? Zwar verkauft neben Tesla auch BMW immer noch mehr E-Autos als die Ingolstädter, mit dem inzwischen in die Jahre gekommenen i3. Aber kein elektrisches Oberklassemodell konnte im Juli so stark zulegen wie der E-Tron.

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Attraktive Rabatte für Flottenkunden

Grund dafür dürften auch Rabatte sein, die Audi vor allem Firmenkunden derzeit gewährt. Ab einer Fuhrparkgröße von 15 Fahrzeugen, mindestens 20 Mitarbeitern und einer jährlichen Abnahmemenge von fünf Fahrzeugen können Großkunden mit Rabatten rechnen. Tesla, der bisher einzige reine Elektroautohersteller, der mit seinen drei Modellen 3, S und X mit E-Tron um Flottenkunden konkurriert, vergibt keine Rabatte. Auch die Volvo-Tochter Polestar, deren erstes Modell seit kurzem bestellbar ist, gewährt bisher keine Preisnachlässe. Ein klarer Vorteil für Audi. Die Ingolstädter sind dadurch auch in der Lage, günstigere Leasingkonditionen anzubieten als Tesla und Polestar.

Ein starker Trumpf, denn 65 Prozent aller Neuzulassungen in Deutschland sind gewerbliche Fahrzeuge; und Leasing wiederum ist hierzulande viel gebräuchlicher als Mieten oder Kaufen. „Wenn ein Hersteller mit großen Firmenkunden Rabatte auf die Neupreise aushandelt, wirkt sich das eins zu eins auf die Leasingraten aus, denn wir Leasinganbieter kalkulieren die tatsächlichen Kaufpreise in die Raten ein, nicht den Bruttolistenpreis auf dem Papier“, erklärt Christian Schüßler von Arval, einem der größten Leasinganbieter Europas.

E-Auto-Prämie der Bundesregierung

Auch die Prämie der Bundesregierung führt zu steigenden Verkaufszahlen. In der ersten Jahreshälfte kamen über 44.000 neue Elektro-Pkw in Deutschland auf die Straße – ein Plus von fast 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die auf E-Autos spezialisierte Autovermietung Nextmove hat die Prämien aufgeschlüsselt: Autos unter 40.000 Euro Nettolistenpreis erhalten 6000 Euro Bonus. Ein Beispiel: Das Tesla Model 3 kostet knapp 50.000 Euro – zu hoch für die Prämie. Der Nettolistenpreis liegt jedoch unter der 40.000 Euro Grenze und Tesla erhält den 6000 Euro Zuschuss. Der Audi E-Tron 50 kostet mehr als 40.000 Euro und erhält einen Rabatt von „nur“ 5000 Euro. Anders sieht es beim nächstgrößeren Modell, dem Audi E-Tron 55 aus. Der verpasst mit einem Preis von knapp 70.000 Euro die maximale Fördergrenze. Der Käufer merkt davon nichts. Denn Audi kompensiert den Effekt mit einem Kundenrabatt.

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Vor allem den deutschen Kunden kommt entgegen, dass die bisher einzige ernst zu nehmende Konkurrenz in der Elektro-Oberklasse, Tesla, nur Fließhecklimousinen und einen sehr teuren SUV im Angebot hat; der E-Tron dagegen ist ein etwas aufgebockter Kombi. Und Kombis sind in Deutschland nun mal beliebter als Limousinen. 615 Liter fasst der Kofferraum des E-Tron, der offiziell als SUV gezählt wird. So viel wie ein sehr großer Kombi aus der Verbrennerwelt.

Zu hohe Verbrauchswerte

Einen Kostennachteil beschert dem Audi E-Tron allerdings sein großer Durst: Im Vergleich zum etwa gleich großen und schweren Tesla Model S verbraucht der Audi rund ein Drittel mehr Fahrstrom auf gleicher Strecke. Immerhin 26 Kilowattstunden (kWh) gönnt sich der Audi im Vergleichstest des ADAC durchschnittlich auf 100 Kilometer. Das Tesla Model S begnügte sich unter den gleichen ADAC-Testbedingungen mit gut 20 kWh. Auch Nextmove unterzieht die gängigen Modelle regelmäßig solchen Tests. Bei konstanten 130 KM/h verbrauchte der E-Tron gar 28,1 kWh, das etwa gleich große Tesla Model S nur 20,4.

Die Audi-Ingenieure wissen das natürlich und versuchen mit einem sehr großen Akku (95 kWh Kapazität) ihren Kunden dennoch eine halbwegs alltagstaugliche Reichweite zu bescheren; mit durchwachsenem Erfolg: Im Nextmove-Test schaffte der Audi mit einer Akkufüllung gerade mal 308 Kilometer, der Tesla Model S mit 100 kWh-Akku schaffte 480, das mit einem deutlich kleineren Akku (75 kWh) ausgestattete Model 3 immerhin 410.

So große Akkus haben einen gravierenden Nachteil: Sie sind für die Hersteller teuer, vor allem die großen Mengen benötigter Batterierohstoffe schlagen mit bis zu 60 Prozent der Akkukosten ins Kontor. Als sich Audi-Ingenieure im Frühjahr 2018 ein Model 3 besorgten und es in alle Einzelteile zerlegt hatten, wurden der WirtschaftsWoche die Ergebnisse des Reverse Engineerings zugespielt.

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Besonders ein Ergebnis aus dem Batterielabor schockierte die Ingolstädter und führte zu Schockwellen bis in die VW-Konzernzentrale: Die Kathode in der Batteriezelle des Tesla, die Tesla zusammen mit seinem japanischen Partner Panasonic in Reno im US-Bundesstaat Nevada selbst fertigt, enthielt nur noch 2,8 Prozent des besonders kritischen und teuren Metalls Kobalt. Audis Zulieferer benötigen nach WirtschaftsWoche-Informationen nach wie vor 11 bis 14 Prozent des knappen und meist aus dem politisch instabilen Kongo stammenden Metalls. Ein „klarer Wettbewerbsvorteil“, sei das für Tesla, meint Stefan Bratzel vom Center for Automotive Management an der FH Bergisch Gladbach. Tesla kann so den Schätzungen eines New Yorker Hedgefonds zufolge die Zellen deutlich günstiger produzieren als die Preise, die Audi und andere auf dem freien Markt pro kWh Akkukapazität bezahlen müssen. Außerdem kommt es im Markt immer wieder zu temporären Engpässen; im Werk Brüssel, wo der E-Tron gebaut wird, sollen im Februar die Bänder wochenlang stillgestanden haben, weil Audi zeitweise keine Batteriezellen bekam, berichten der Branchendienst Electrive.net und das Fachblatt Automobilwoche. Trotzdem geht der E-Tron im Juli als Sieger hervor. Ob die Ingolstädter den Erfolg fortsetzen können, wird sich zeigen.

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