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Lira stürzt auf Rekordtief Türkische Zentralbank senkt Leitzins trotz hoher Inflation

Die türkische Zentralbank senkt den Leitzins ganz im Sinne von Präsident Recep Tayyip Erdoğan radikal um zwei volle Prozentpunkte - trotz rasanter Inflation. Die türkische Lira stürzt auf Rekordtief.
Nicht mehr unabhängig: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan tauscht das Personal der Zentralbank nach Belieben aus und verleiht so seiner Forderung nach niedrigen Zinsen entsprechende Durchschlagskraft

Nicht mehr unabhängig: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan tauscht das Personal der Zentralbank nach Belieben aus und verleiht so seiner Forderung nach niedrigen Zinsen entsprechende Durchschlagskraft

Foto: REUTERS

Die türkische Zentralbank hat den Leitzins deutlich gesenkt: Trotz der anhaltend hohen Inflation und einer schwachen Lira senkte die Notenbank den Zins am Donnerstag um zwei Punkte von 18 auf 16 Prozent. Schon im September war der Leitzins nach einigen Monaten der Stabilität um einen Punkt gesenkt worden.

Die Türkei ächzt derzeit unter einem hohen Preisanstieg - zuletzt erreichte die Inflationsrate knapp 20 Prozent und gehört damit zu den höchsten weltweit. Für etliche Produkte des täglichen Bedarfs allerdings liegen die Preissteigerungen deutlich höher und erschweren das Leben der Menschen spürbar. Nach herrschender Ökonomen-Lehre sind die Leitzinsen ein wichtiges Instrument im Kampf dagegen. Zentralbanken erhöhen in der Regel den Leitzins, den die Banken meist an ihre Kunden weitergeben. Die beabsichtigte Folge: Die Zahl der Kreditvergaben und damit die Geldmenge im Umlauf sinkt.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan (67) ist aber der Meinung, hohe Leitzinsen würden die Inflation eher anheizen und lehnt sie zudem deshalb ab, weil sie das Wachstum bremsen. Er möchte über niedrige Zinsen Kredite und Investitionen ankurbeln und auf diese Weise letztlich die Wirtschaft.

Im März hatte Erdoğan nach einer Anhebung der Leitzinsen den damaligen Zentralbankchef entlassen. Dass die Zentralbank nun den Zins deutlich senkt, gilt Wirtschaftsexperten als weiterer Beleg für den Verlust der Unabhängigkeit der Zentralbank von Staatschef Erdoğan. Erst am vergangenen Donnerstag hatte Erdoğan gleich drei weitere Top-Notenbanker vor die Tür gesetzt und damit die türkische Lira auf ein historisches Tief gedrückt.

Die Ankündigung der Zentralbank überraschte die Märkte - die türkische Währung verlor deutlich an Wert: in der Spitze jeweils fast 3 Prozent gegenüber dem Dollar und zum Euro. Ein Dollar war am frühen Nachmittag 9,47 Lira wert, ein Euro 11,00 Lira - die türkische Lira stürzte damit im Verhältnis zu den beiden Währungen auf Rekordtief.

Timothy Ash, ein Experte für Schwellenländer bei BlueBay Asset Management in London, bezeichnete die jüngste Zinssenkung als Teil eines "verrückten geldpolitischen Experiments". Umit Ozlale, stellvertretender Vorsitzender der Mitte-Rechts-Oppositionspartei Iyi, sagte, "die Entscheidung entbehrt jeder wirtschaftlichen Vernunft und wird den Schaden, der bereits angerichtet wurde, nur noch verschlimmern."

rei/AFP/AP

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